Nach der Veröffentlichung meines ersten Versuches des Sylter Sauerteigbrotes nach Kappl – das in meinem Ergebnis ein gutes Brot hervorbrachte, aber – wie gesagt, ich rede von MEINEM Ergebnis – gerade auch geschmacklich wenig mit dem Original zu tun hatte, schrieb mich Alexander Klutzny von leicht-angeniced an, er habe auch gerade, nach langer Tüftelei und Recherche, ein Rezept dazu veröffentlicht. Das war ja spannend! Wesentlich weniger aufwändig – einen Sauerteig und ein Hefevorteig am Vorabend ansetzen und am nächsten Tag backen. Wäre ja cool, wenn das „so einfach“ wäre…
Ich schildere meine Erfahrungen so ausführlich, weil es ja vielleicht für die ein oder den anderen hilfreich sein könnte…
Da ich ein paar kleine Änderungen vornahm, will ich hier das komplette Rezept anführen, immer mit dem Verweis auf das Rezept von Alexander!!!
Nachdem meine Lievito Madre (als Anstellgut) aufgefrischt war und mir auch mein Hefewasser High-Five zeigte, konnte es losgehen!
ZUTATEN
Brühstück
- 50 g Altbrot*
- 150 g siedendes Wasser
Sauerteig
- 100 g Roggenvollkornmehl
- 6 g Anstellgut
- 100 g Wasser
Hefevorteig
- 125 g aktives Hefewasser* (alternativ: gleiche Wassermenge + 5 g Hefe)
- 250 g Weizenmehl Tipo 00 (alternativ: 550er)
Hauptteig
- 835g Weizenmehl Tipo 00 (alternativ: 550er)
- 580g Wasser, kalt aus dem Wasserhahn
- 12g enzymaktives Backmalz, Pulverform (oder Zuckersirup/Honig)
- 25g Salz
- 30g Bassinage – zusätzliches Wasser je nach Mehlqualität
- optional: ein EL Lievito Madre für Ofentrieb und Aroma
ZUBEREITUNG
Am Vorabend
1. Brühstück (mindestens 2 Stunden vorm Sauerteig herstellen)
- Altbrot mit siededem Wasser überbrühen, abkühlen und ausquellen lassen
2. Sauerteig
Das Anstellgut im Wasser „aufschlämmen“, wie Marcel Paa immer so nett sagt (ich halte mal kurz den Pürrierstab ins Wasser) – mit dem Altbrot-Mehlgemisch verrühren.
Ich führe den Sauerteig immer nach „Marlas 1-Stufenführung“ für Hobbybäcker – heißt: einen Topf (mit Deckel drauf – es geht nicht um Feuchtigkeit, nur um Wärme) mit etwa 1 bis 1,5 l kochendem Wasser in den Backofen stellen, Pott mit Sauerteig daneben. Die verschiedenen Sauerteig-Organismen durchlaufen 2 x (beim Aufwärmen und Abkühlen) ihre Wohlfühltemperaturen, die zwischen 26 und 30 Grad liegen.
2. Hefevorteig
Das aufgefrischte Hefewasser mit dem Mehl vermischen und eine Kugel daraus formen (der Hefevorteig ist das Kontrastprogramm zum Sauerteig, also recht fest). Ich habe das etwas proteinreichere Tipo 00 – Mehl genommen, die Glutenstruktur im Teig ist m.E. nach schon besser, als bei unserem 550er, aber ich glaube Alexander, dass das „Sylter“ auch damit funktioniert. Auch der Hefevorteig kam mit in den Backofen zum Sauerteig.
Mit normaler Hefe würde ich den Hefevorteig (Biga) eher bei Zimmertemperatur gehen lassen.
Am Backtag
Zunächst die Vorteige: der Hefevorteig war gut gegangen,
der Sauerteig sah in der großen Knetschüssel etwas verloren aus, war aber doch aufgegangen; dass er so flüssig war, hat mich irritiert.
1. Fermentolyse*:
Laut Rezept: Hefevorteig mit dem Wasser (ich nehme immer kaltes Leitungswasser s.u.) und Mehl vermischen und 30 Minuten stehen lassen. Und das macht natürlich Sinn, den relativ festen Hefevorteig so wieder in eine flüssigere Konsistenz zu bringen. – Hatte ich nicht genau gelesen und schon war der Hefevorteig und das Wasser in der Knetschüssel mit dem Sauerteig… Gab kein Zurück mehr, also fand die Fermentolyse mit dem Hefevorteig UND dem Roggensauerteig statt. Da dieser so flüssig war, fand ich es im Nachhinein gut, dass so die Mikroorganismen gleich was zu futtern kriegten. Warum Alexander die Fermentolyse* nur 15 Minuten durchführt, weiß ich nicht, ich glaube, ich werde das Ganze beim nächsten Mal 30 Minuten stehen lassen.
MERKE: Den Hefevorteig in der Knetschüssel ansetzen (anstatt des Sauerteig, wie ich das sonst mache) und den dann da drin mit Wasser und Mehl vermischen!
– Mittlerweile steht bei Alexander, dass man Biga UND Sauerteig für die Fermentolyse nutzt 😉…
2. All in und Auskneten:
Alle restlichen Zutaten zum Teig geben (außer die Bassinage = Restwasser) , erst 5 Minuten auf langsamer Stufe kneten, dann auf mittlerer Stufe auskneten. Alexander gibt hier 5 – 10 Minuten an – das ist bei der Anka ja meistens eine ganze Ecke länger. Hier kann man – und das liebe ich sehr – ohne Hindernisse in die Maschine gucken und so versuchen, den Teig „zu lesen“ (Marcel Paa).
Die Bassinage, die erst nach dem Auskneten dazugegeben werden soll, habe ich schon in den ersten 5 Minuten dazugegeben, war vielleicht etwas früh… danach habe ich die ganz Zeit gedacht, ob das nicht ein Fehler war?!
Meine Knetzeit auf mittlerer Stufe war an die 20 Minuten. Ich hatte zum Schluss echt Bedenken, ob der Teig überknetet war.
Bei Marcel Paa hatte ich gerade ein Video gesehen, in dem er eigentlich zeigte, dass man sich mit Weizenmehl (im Gegenteil zu Dinkel) „anstrengen müsse“, um zu überkneten (50 Minuten oder so…), aber ich war mir trotzdem nicht ganz sicher. Das Teigfenster war da
aber der Teig zog sich dann sehr.
Schon am Ende der Knetphase haben sich in der Schüssel Blasen gebildet – hatte ich noch nie erlebt. Ach ja, und der Teig löste sich tatsächlich nicht von der Schüssel (das ist eine Anmerkung, die Alexander in seinem Rezept macht)…
EDIT: Beim nächsten Versuch hat sich der Teig von der Schüssel gelöst!
Die Teigtemperatur kann ich während des Knetvorgangs kaum beeinflussen (sie soll nach Alexander nicht höher als 26 Grad werden) – ich gebe am Anfang kaltes Wasser dazu, und dann nimmt das Kneten (und die Teigtemperatur) seinen Lauf…
3. Stockgare:
Den Teig in eine geölte Teigwanne o.ä. geben und abdecken.
Hier brauchte der Teig seeeehr lange (über 3 Stunden -allerdings bei 19 Grad, denn wärmer ist es bei uns in der Wohnung gerade nicht), bis sich das Volumen verdoppelt hat. Direkt nach dem Umtopfen in die Teigwanne und dann nach 15, 30 und 45 Minuten habe ich den Teig gedehnt und faltet, damit ansatzweise etwas Stabilität entstand.
Nach der Stockgare war im Vergleich zu den Wannen-Bildern auf Alexanders Blog weniger Spannung im Brot (hier habe ich leider kein Bild).
EDIT: War beim 2, Mal auch viel besser!
4. Stückgare
– entfiel…
Alexander setzt hier 15 Minuten auf dem Backpapier an. In diesen 15 Minuten hätte sich mein Teig aus dem Staub gemacht.
Ich kippte ihn auf mein mit Semola und Roggenmehl ausgestreutes Backbrett, zog den Teig nochmal irgendwie in Form, bugsierte meinen ebenfalls mit Semola bestreuten Teigschaber darunter, von da auf eine Backfolie und damit wieder auf den Einschießer und in den Ofen. Mein Teig war schon „tiefenentspannt“, eine weitere Entspannungsphase damit obsolet .
EDIT: Beim 2. Versuch war viel mehr Spannung im Teig, hier habe ich eine Stückgare gehabt!
5. Backen
Bevor ich den Teig aus der Wanne kippte, war mein Ofen schon auf 240 Grad nach Rezeptvorgabe vorgeheizt (warum nicht auf 250 Grad?), denn ich befürchtete schon, dass der „Transfer“ in den Ofen sehr schnell gehen müsse…
Als das Monster dann im geschwadeten Ofen war – passierte 10 Minuten fast nichts!!! Enttäuscht wand ich mich ab vom Ofenkino und kam erst wieder, als nach 20 Minuten der Ofen bimmelte, der Dampf abgelassen und die Temperatur auf 220 Grad reduziert werden sollte – jetzt hatte sich aber richtig was getan! Auf dieser Temperaturstufe sollte das Brot noch 40 Minuten ausgebacken werden.
6. Das Ergebnis – und Fazit
Das Teil kommt in jedem Fall dem Original schon sehr nahe! Es hat unglaublich viel Aroma, was man bei einem „Weißbrot“ so nicht erwartet!
Der Geschmack ist echt der Hammer!
Beim Original ist die Kruste splittriger und die Krume noch etwas fluffiger.
Aber ich bin trotzdem begeistert! Danke Alexander!!!
Irgendwas war bei mir ab dem Kneten / beim Gehen suboptimal, ich hatte das schon hin- und wieder, aber bei einer Back-Wiederholung war es dann meistens anders. Es wird definitiv nicht das letzte Mal sein, dass ich dieses Brot gebacken habe.
Eine Version mit Übernachtgare (also die Teigwanne über Nacht im Kühlschrank parken) und dann morgens abbacken, hätte den Vorteil, dass das Brot einfacher zu handhaben wäre, weil kühler. Vielleicht findet sich das ja noch.
Es ist definitiv kein Anfängerbrot, aber wer schon ein bisschen Erfahrung hat mit weichen Teigen, sich Zeit dafür nehmen und einen Eindruck vom Gaues-Brot bekommen will, dem kann ich dieses Rezept wirklich empfehlen!
Anmerkungen:
Altbrot: Ich weiß, dass Eigenbrötler im Prinzip ihr Brot immer aufessen, denn normalerweise wird es gar nicht „alt“, und falls doch, schmeckt es halt noch immer super und schimmelt nicht. Es ist also wirklich schwierig, „Altbrot zu produzieren“. Entweder zwinge ich mich einen größeren Rest-Ranken in hauchdünne Scheiben zu schneiden, oder: wenn ein Backversuch daneben geht, ist es fast Grund zur Freude, denn es verspricht, die Altbrotvorräte zu vermehren (in etlichen der von mir verwendeten Rezepte wird zur Aromagebung und Wasseranreicherung Altbrot verwendet!). Das dünn geschnittene Brot lasse ich so lange lufttrocknen, bis ich ein gutes Backblech zusammen habe, röste die Scheiben dann bei so 180 Grad etwa 20 Min im Backofen bis sie „ziemlich“ braun sind und schreddere diese dann im TM – möglichst zu Pulver.
Fermentolyse/Autolyse: Bei der Auto- und Fermentolyse lässt man das Wasser mit nur dem Mehl (Autolyse) oder auch mit Mehl und dem Vorteig (Fermentolyse) schon mal für eine gewisse Zeit stehen, damit sich bereits vor dem das Teiggerüst beginnt auszubilden. Dadurch verringert sich die Knetzeit.
Hefewasser: Wie man Hefewasser herstellt, erkläre ich an dieser Stelle nicht, da gibt genügend Anleitungen (hier meine Erfahrungen). Wenn man Hefewasser benutzt, muss dieses – wie das Anstellgut auch mit einem Löffelchen Zucker bei Zimmertemperatur oder an der Heizung, aufgefrischt werden. Wenn der Handschuh 🧤 steht, ist das Hefewasser richtig aktiv und man kann loslegen.
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